Neuverhandlung Fall Karolina "Grausen und Bedauern" 15.05.2006 Starb die kleine Karolina "aus Versehen"? Diese Frage entscheidet darüber, ob sie ermordet wurde oder nicht - und ob die Strafen für ihre Peiniger höher werden sollen.
In der Neuauflage des Prozesses um den qualvollen Tod der dreijährigen Karolina hat die Staatsanwaltschaft dem ehemaligen Lebensgefährten der Mutter Mordabsicht vorgeworfen
Der 32-jährige Türke habe das Mädchen im Januar 2004 aus niedrigen Beweggründen grausam getötet, sagte Oberstaatsanwalt Johann Kreuzpointner am Montag vor dem Münchner Schwurgericht. Nach Auffassung der Ankläger hatte der Ex-Freund der Mutter das Kind über Tage hinweg schwer misshandelt und verletzt. Er habe die Kleine mit Fäusten und Gegenständen geschlagen, ihren Kopf gegen die Wand und den Boden geschleudert und verbrüht.
Später legte das Paar das verletzte und kahl geschorene Mädchen in einer Krankenhaustoilette ab. Zwei Tage später starb das Kind aus dem schwäbischen Weißenhorn in der Klinik. Die 27-jährige Mutter muss sich wegen Mordes durch Unterlassen verantworten.
Das Landgericht Memmingen hatte den damals schwer drogenabhängigen Mann wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, die aus Polen stammende Mutter zu fünfeinhalb Jahren. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung auf und bezeichnete es als Fehler, dass die vorherige Instanz nicht auf vorsätzliche Tötung geurteilt habe.
Der Mutter wird Mord durch Unterlassen zur Last gelegt, da sie der Anklage zufolge ihre Tochter nicht geschützt hatte. Der Anwalt des Beschuldigten, Georg Zengerle, erklärte vor Prozessbeginn, sein Mandant habe das Kind nicht töten wollen. "Er schaut mit Grausen und tiefem Bedauern zurück. Er hat gesagt: Ich habe nicht damit gerechnet, dass das Kind zu Tode kommen würde."
16.05.2006
Prozess Karolina war in einem "erschreckenden Zustand"
Am zweiten Prozesstag gegen Karolinas Mutter und ihren Ex-Freund sagen die Polizisten aus, die das misshandelte Mädchen auf der Toilette fanden.
Die kleine Karolina aus Weißenhorn in Bayern war nach Misshandlungen durch den damaligen Freund ihrer Mutter in einem erschreckenden Zustand. Die Körpertemperatur des Kindes, das nackt, kahl geschoren und mit zugeschwollenen Augen auf einer Damentoilette des Weißenhorner Krankenhauses lag, habe nur noch 29 Grad betragen, sagte ein Polizeibeamter am Dienstag als Zeuge vor dem Landgericht München II. Eine Schwester habe geweint, "weil der Anblick so grässlich war". Die Dreijährige starb zwei Tage danach.
In der Neuauflage des Prozesses müssen sich die heute 27-jährige Mutter und ihr 32-jähriger Ex-Freund wegen Mordes verantworten. Der Mann war bereits elf Mal vorbestraft, unter anderem wegen Körperverletzung, Diebstahls, Urkundenfälschung und Bedrohung. Er hatte das Mädchen Anfang 2004 tagelang gequält und misshandelt, ohne dass die Mutter einschritt. Schließlich legte das Paar das bewusstlose Kind in der Klinik-Toilette ab und flüchtete.
Der kleine Körper sei mit Blutergüssen, Striemen und Wunden übersät gewesen, berichtete der Polizeibeamte. "Das hat uns abgebrühten Polizeibeamten die ganze Fassung abverlangt." Der Chefarzt der Klinik sagte aus, er habe das Kind zunächst für tot gehalten. "Ich konnte kein Lebenszeichen feststellen."
In dem neuen Prozess geht es vor allem um die Frage, ob die Dreijährige vorsätzlich getötet wurde. Das Landgericht Memmingen hatte das Paar vor gut einem Jahr wegen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gesprochen. Der Mann bekam zehn Jahre und drei Monate, die Frau fünfeinhalb Jahre Haft.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil nach dem Revisionsantrag der Staatsanwaltschaft als zu milde auf. In dem neuen Prozess drohen den beiden eine Verurteilung wegen Mordes und höhere Strafen. Am Montag, dem ersten Prozesstag, hatte die Mutter ihrem mitangeklagten Ex-Freund erneut die Hauptschuld zugewiesen.